„Tschüss 1!“ - Die GT4-Saison 2022 von Bonk Motorsport

Heiße Rennduelle zum Abfeiern mit Freunden: das liefern die Rennen der ADAC GT4 Germany 2022. Die Fans von Hofor Racing by Bonk Motorsport bangen: Verteidigt das Duo Gabriele Piana / Michael Schrey seinen Meistertitel im bewährten BMW? Härter denn je greifen Aston Martin, Mercedes, Porsche und Toyota an. Das Feature berichtet aus dem Teamzelt der Meistermacher um Sportchef Michael Bonk aus Münster.

#Ups, tun sie es wieder?

Am 21. Mai folgen meine Augen dem führenden BMW M4 in einem Rennen der ADAC GT4 Germany in Spielberg. Pole-Mann Gabriele Piana zieht dem Feld aus 28 Rennwagen von 16 Teams davon. Beim Boxenstopp übergibt er den rot-weißen BMW 1 von Hofor Racing by Bonk Motorsport seinem Partner. Michael Schrey und er gewinnen – wie so oft. Das Team ist das erfolgreichste der Serie (Quelle: ADAC Motorsport):

Am 22. Mai entwickelt Michael Schrey (39, aus Hollage bei Osnabrück) seine Angriffsstärke auf dem Red-Bull-Ring. Von P4 startend überholt er in Kurve eins den Aston Martin 007. Zwei Kurven später beschleunigt er den Mercedes AMG 85 auf P2 aus. Rundenlang belauert er den führenden Aston Martin 95. In Minute 25 rutscht der Aston auf die Bullenweide neben Kurve 10. Schrey führt! In der Box übernimmt Piana (36, Lugano) den BMW und schaukelt ihn hinter dem Safety-Car zum Sieg.

#„Die haben die Jagd eröffnet“

Im Parc fermé bemerkt Teamchef Michael Bonk in Richtung Piana: „Anstrengendes Rennen, oder?“ Kommentator Patrick Simon spielt auf den verpatzten Auftakt der Meister in Oschersleben an: „Die haben die Jagd eröffnet in Sachen Titelverteidigung.“ Sonnyboy Michael schreit: „Das Auto ist gut“. Gabriele ordnet die verschwitzten Haare. Auf dem Podium erklingt die Schweizer Hymne für das Team Hofor Racing, das mit Bonk Motorsport in einem Verein nach Schweizer Recht agiert.

Was ist ein GT4-Rennwagen? Gran Tourismo (GT) sind Sportwagen wie Aston Martin Vantage, Porsche 718 Cayman, Mercedes AMG, Toyota GR Supra, KTM X-Bow oder BMW M4. Sie sind für Langstrecken auf der Straße ausgelegt. Ihre GT4-Varianten sind karg. Ein Sicherheitskäfig schützt den Rennsitz des Piloten. Die Karosserie ist aus Stahl und Carbon, die Scheiben aus Kunststoff. Straßenverkehr ist tabu. Sie werden von Rennteams gekauft.

Die BMW M4 GT4 Nr. 1 und 2 gehören dem Chef von Hofor Racing Martin Kroll. Er besitzt ein Reitzentrum in Hofor-Eggenwil (CH) und verrät: „Der neue GT4 von BMW kostet rund 180.000 €. Wie man damit ein kleines Vermögen macht? Indem man ein Großes investiert!“ Geldfresser sind: Versicherung, Reifen, Crew, Trucks, ... (usw., siehe Jan-Erik Slootens Video "Wieviel kostet eine Saison Carrera Cup?") ... Geldbringer sind Sponsoren.

Die Bonk Motorsport GmbH stattet die GT4 mit Datentechnik aus, stellt Material, Expertise und Logistik bereit. Martin Kroll: „Bonk verantwortet den sportlichen Part. Da halte ich mich raus“. Kroll fährt mit Michael Bonk Langstreckenrennen: im November in Kuwait.

#Zandvoort, Nürburgring, Sachsenring: die 1 im Mittelfeld

In den Juni-Rennen von Zandvoort siegen Mike David Ortmann / Hugo Sasse im orange-weißen Aston Martin 24 von Prosport Racing. Schrey / Piana kämpfen um P11 und P10.

Am 06.08. auf dem Nürburgring fügen sie einen 10. Platz hinzu. Im 2. Lauf am Ring trifft sie das Pech: nach dem Boxenstopp fällt BMW 1 mit Piana aus. Teamchef Bonk: „Die BMW sind die ältesten Autos im Feld. Das erste Mal seit wir die Autos haben ist die Antriebswelle ist kaputt gegangen.“ Jetzt wertet der 12. Platz des BMW 2 für das Team Hofor by Bonk. Den lenken Tim Reiter (23, Ostfildern) und Max Rosam (17, Wiesbaden).

Die Siege am Ring holen andere. Am Samstag gewinnt der Toyota Supra 12, am Sonntag der Mercedes AMG 15. Vor den Läufen in Sachsen steht der BMW 1 in der Tabelle hinter Aston Martin 69, 24 und 007. Schrey / Piana könnten rechnerisch Meister werden, realistisch gesehen sitzen die Neuen in einem Aston Martin.

#Sachsenring: die 1 verliert den Titelkampf

Ortmann / Sasse entscheiden im September beide Läufe in Sachsen für sich und übernehmen die Tabellenführung von Indy Dontje / Phil Dörr im Aston Martin 69. Samstags treibt Schrey den verbeulten BMW auf P8 ins Ziel. Einige Porschefahrer attackieren ohne Rücksicht auf Verluste.

Am Sonntag ringen Schrey / Piana um P10. Sie unterliegen im Titelkampf den Aston Martin 24 und 007. In der Tabelle sinken sie auf Rang 6. Neue Konkurrenten stehen vor ihnen: auf Rang 4 der Toyota 12, auf Rang 5 der Mercedes AMG 85 der CV Performance Group, die vor Hofor by Bonk in der Teamwertung liegt.

#Teamzelt: Analysen von Bonk und Schrey

Am Sachsenring begegne ich Michael Bonk und seiner Crew. Zelt, Renntruck, Zehntonner und Wohnmobil sind im Fahrerlager 2 aufgebaut. Die Zeiten von Schrey / Piana im Qualifying liegen knapp 1 Sekunde hinter den Schnellsten. Frage: „Warum können die BMW die Topzeiten von Aston Martin, Mercedes, Toyota und Porsche nicht mitgehen?“

Teamchef Bonk verweist auf die Probleme des BMW in den engen Schleifen des Sachsenrings. Das Auto gehe schwer um die Ecken und verschleiße die Reifen enorm. Seit Zandvoort ist ihm klar: „Der Vorsprung, den das Auto früher hatte, hohe Leistung auf der Geraden und eine megagute Bremse, den haben alle anderen wettgemacht.“ Bonk erklärt, die Autos werden vor der Saison von der SRO, dem Träger der GT4, homologiert*: „Wir wissen vorher nicht, wie stark die anderen sind.“

Michael Schrey ergänzt: „Das Auto läuft aus, nächstes Jahr gibt es ein neues Modell des BMW. Die anderen Autos sind frisch. Die Organisatoren sehen es gerne, wenn die Neueren vorne sind. Das lässt sich ein bisschen über die Balance of Performance* steuern. Dieses Jahr sind es die Aston Martin, die alle wichtigen Läufe und Sitzungen bestimmen.“

#Welche Ziele hat das Team für das Finale?

Schrey: „Wir wollen die Saison mit Würde beenden und Dritte in der Teamwertung werden.“ Für die Fahrerwertung sagt Michael Bonk voraus: „3. Platz wäre schön, aber auch das wird schwer.“

#Das Finale in Hockenheim

In Qualifying 1 am 22. Oktober holt sich Mike David Ortmann im Aston Martin 24 die Pole. Bei einem Sieg wären er und Sasse Meister. P2 hat der Toyota 12. Ihm folgen Porsche 23 und 22 vor Piana auf P5. Mit Piana bin ich verabredet.

#Teamzelt: Piana zur Kultur des Motorsports

Vor unserem Termin verhandelt Piana mit der Rennleitung, ob Porsche 22 beim Start von P4 nach hinten versetzt wird. Es gehe um einen Vorfall auf dem Sachsenring. Piana hat das Problem freitags in der Fahrerbesprechung angemahnt. Er meint, Seite an Seite Kontakte sind ok, aber in vielen Fällen setzte die Leitung das Reglement nicht klar durch. An dieser Frage hängt für den Italiener die Kultur des Motorsports:

„Die Teams müssen entscheiden können, was ihr Budget ist: 200.000 oder 300.000 €, weil sie 100.000 € mehr für Schäden in einer Bump and Run Saison brauchen. Die Leute werden die vielen Schäden nicht mehr bezahlen. Wir müssen auch die Amateurfahrer unterstützen. Sie müssen sich sicher fühlen und nicht Angst haben, dass ein 17-Jähriger durch die Wiese kommt, die Nase in die Kurve steckt und dir von hinten in die Karre fährt, um eine Position gutzumachen.“

Profi Piana, der eine Renn-Fahrschule betreibt, beruft sich auf die globalen Regeln des Dachverbandes FIA: Ein Auto überholt dann regulär, wenn es im Scheitelpunkt der Kurve vorne liegt. Dabei haben sich die Fahrer genug Platz zu lassen und innerhalb der Track Limits zu bleiben. Eine unfair eroberte Position ist zurückzugegeben.

#Samstagsrennen: die 1 auf dem Podium

Beim Start in Runde 1 bleibt Ortmann im orange-weißen Aston Martin 24 Spitzenreiter. Von P4 aus kontaktiert Junior Andronaco im Porsche 22 erst die 23, dann den Toyota und ist auf P2. Der Toyota nimmt Schaden und fällt zurück. Piana rückt auf P4 vor.

Zwei Runden später platziert Andronaco den Porsche 22 in der Spitzkehre innen vor die führende 24. Beim Beschleunigen aus der Kurve drängt er den Aston auf die Wiese und erobert P1.

Durch die Boxenstopps verliert die 24 an Tempo. Nach Pianas Halt zieht Schrey hinter Porsche 22 und 23 heraus auf P3, haarscharf vor dem Aston 24! Bis zur letzten Runde blockt Schrey den drängenden Sasse in der 24. Beide agieren fair: ein Meisterstück beider Piloten. Sie kassieren Porsche 23, Schrey ist auf P2, Sasse auf P3.

Letzte Runde: An Sasse saugen sich Porsche 23, 31 und 30 im Windschatten heran. Vier Autos donnern auf die Linkskurve vor der Mercedestribüne zu. Im Porsche 23 setzt Junior Bostandjiev innen zum Überholen an, versperrt die Kurve und verlässt die Strecke. Sasse muss ausweichen, um nicht zu kollidieren. Porsche 31 und 30 ziehen vorbei, der Aston landet auf P5. Sasses Partner Ortmann tobt in der Box: „Das darf es nicht geben! Verdammte Sch ... “. Ortmann / Sasse werden heute nicht Meister. Mit 24 Punkten Vorsprung fehlt 1 Punkt vor Ben Dörr / Romain Leroux im Aston Martin 007.

Parc fermé: Andronaco klopft seinem Kollegen im siegreichen Porsche 22 auf die Schulter. Auf 3 parkt Porsche 31, auf 2 Michael Schrey. Beim Gratulieren spüre ich seine schweißnasse Hand und frage: „Auf einer Skala von 1 bis 10: Wie schwer war das zu verteidigen?“ „Eine 9“, antwortet er und begibt sich treppauf zum Podium.

#Sonntag: die letzte Ausfahrt der 1

Im Finalrennen genügt Ortmann / Sasse die P2 hinter Porsche 31 mit Finn Zulauf, um Meister zu werden. Aston Martin 007 und 69 sichern Dörr Motorsport den Teamsieg. Schrey / Piana schaffen mit P8 ihre Ziele:

Vor dem letzten Rennen schleust mich Felix Schmenk ins Starting-Grid zu Schrey auf P9. IT-Spezialist Friedemann Storch war es, der beim Herausrollen der BMW aus dem Teamzelt murmelte: „Die letzte Ausfahrt dieser wunderschönen Autos.“ Das ganze Team hat auf der Motorhaube unterschrieben. Vor dem letzten Start des M4 GT4 kommt Michael Bonk, klopft zweimal auf das Carbon und ruft: „Tschüss 1!“. Auf der Haube lese ich den Gruß an den neuen Kandidaten, der im frischen Rahmenprogramm des ADAC für die DTM angreifen wird: „Welcome to the new contender in 2023!“.